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Erfahrungen aus einer Kur

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Motivation

Vor vielen Jahren war ich auf Kur in Bad Oeynhausen.

Die Pausen zwischen den Anwendungen und die langen Abende habe ich genutzt,
einige Erfahrungen in Verse zu fassen.

Da man je nach Erzähler und Zuhörer die unterschiedlichsten Geschichten über
Kurschatten und -sonnen hört, habe ich meine Gedanken nach Adressaten sortiert.


Ich bitte Sie, nur die für Sie bestimmten Gedichte zu lesen.
Zuwiderhandlung kann zu Frust und/oder Ehekrisen führen, für dessen Folgen der Autor keine Haftung übernimmt.



Tipps für den Kurgast

Abnehmen ohne Mühe

Willst and're und dich selbst betrügen,
dir in die eig'ne Tasche lügen,
so mach es wie der Herr aus Kelbe.
Zum ersten Wiegen kam derselbe
im Trainingsanzug, prall und rund
von Portemonnaie und Schlüsselbund,
Necessaire und and'ren Dingen,
nur um viel Gewicht zu bringen.
Zur Abschlussuntersuchung dann
kam er in seinem Tanga an.
Und in der Tat, trotz Saufen, Prassen
hat er ein halbes Pfund gelassen!

Fröhlichsein auf Krankenschein

Da gab es diesen Herrn aus Siegen,
der, anstatt im Bett zu liegen,
sich herumtrieb bis um vier
bei Frankenwein und Kellerbier.

Partystimmung - Katerstimmung

Morgens schon um kurz nach neun
geht Herr Müller und kauft ein
in dem Supermarkt der Stadt,
damit am Abend er dann hat
Getränke für sein Einstandsfest,
denn seit dem Kurbeginn schon lässt
täglich er die Sau heraus,
was sich aber schnell im Haus
herumspricht bis zur Direktion.
Ja, was hat er nun davon?
Das ist das Ende seiner Kur.
Und der Herr, wie sagt er's nur
seiner Partnerin zuhaus?
Das Problem, er sitzt es aus,
mietet sich drei Wochen ein
in der Pension "Zum Sonnenschein",
und denkt, er sei besonders schlau
als heim er fährt zu seiner Frau.
Doch diese legt ihm wutentbrannt
ein langes Schreiben in die Hand,
die Rechnung aus der Kuranstalt,
bereits schon fast drei Wochen alt!

Blumen für die Damen

Es ist schon äußerst seltsam, dass
Blumenläden gibt's en masse
direkt vor dem Kurgebäude.
Ob denn wirklich alle Leute
Blumen nehmen mit nach Haus
wenn die Kur ist schließlich aus?
Für die Gattin - keine Spur.
Für seinen Schatten in der Kur!

Bericht an den Partner

Tango - nein danke

Lieber Schatz, oh glaub mir nur,
gar nicht einfach so'ne Kur.
Oft heißt es schon um 6 Uhr wecken,
rein ins Solewasserbecken.
Danach Kneippsche Wassergüsse
(davon bekommt man nasse Füße!).
Und nach einer Packung Fango
hast Du keine Lust auf Tango!

Heimweh

Lieber Schatz, lass Dir nur sagen,
die Kur ist fast nicht zu ertragen.
Nur alte Greise um mich rum,
ein fürchterliches Publikum!
Den ganzen Tag nur jagen, hetzen,
beim Mittagessen fliegen Fetzen,
weil man mir hat das Brot geklaut,
als kurz ich habe weggeschaut.
Der Tee, den man zum Essen reicht,
sieht aus wie Wasser, stark gebleicht.
Die Dame an dem Nachbartisch
putzt damit immer ihr Gebiss.
Ach, wäre doch die Kur schon aus!
Ich käme liebend gern nach Haus.
Ich träum von Deiner Tiefkühlkost.
Bis bald mein Schatz - auf Dich ein Prost.

Der 'Feier'-Abend

Nach dem ganzen Tagesfrust
hast du am Abend keine Lust,
etwa groß noch auszugeh'n.
Was da bleibt, ist anzuseh'n
Tagesschau und Wetterkarte
vielleicht auch die Kultursparte.
danach aber, kannst du wetten,
liegen alle in den Betten,
in den eigenen und allein -
nur um ganz genau zu sein.

Erzählungen am Stammtisch

Freud und Leid in der Kur

Liebe Freunde, lasst Euch sagen,
die Kur lässt schwer nur sich ertragen.
Hunger, Durst den ganzen Tag,
dazwischen, ach welch eine Plag',
Massagen, Bäder und auch Fango,
zum Glück am Abend: Rumba, Tango.

Das Kur-Bier-Bad

Wenn ich hier im Solbad sitze,
manchmal friere, manchmal schwitze,
denk ich träumend "Wär das hier
doch nur kühles Kellerbier".
Andrerseits ist es doch schade,
wenn ich nur im Biere bade.
Drum wart ich noch bis kurz nach vier.
Dann wartet schon das Kellerbier.

Der Frühflirt

So eine Kur ist ein Genuss!
Frauen! Frauenüberschuss!
Eine Auswahl - riesengroß
ja, doch nur, wie mach ich's bloß?
Lass halt manch Anwendung sausen,
verlängere die kurzen Pausen,
denn so ein Flirt am frühen Morgen
vertreibt den Kummer und die Sorgen.

Der Frühschoppen

Was kann das Kurprogramm noch toppen?
Sicher nur der Bier-Frühschoppen.
Denn so ein Schoppen in der Frühe,
macht Spaß und Laune ohne Mühe.
Vor der Gymnastik schnell zwei Weizen,
die können mich viel eher reizen
als so ein Kneippscher Wasserguss,
den täglich man ertragen muss.

Der 'Feier'-Abend

Nach dem ganzen Tagesfrust
hast du am Abend große Lust,
ganz gepflegt noch auszugeh'n
und dich dabei umzuseh'n
was an Frischfleisch eingetroffen.
Heut nicht viel, es bleibt zu hoffen,
dass es morgen besser wird.
Halt, anscheinend hat verirrt
hier sich eine Kegeltruppe,
darunter eine scharfe Puppe.
Nichts wie hin, bevor sie dann
wegschnappt dir der Nebenmann.
Ein paar Tänzchen, ganz in Ehren,
wer wird dieses dir verwehren.
Ein kleiner Flirt, ein zarter Kuss,
damit aber ist schon Schluss
mindestens für heut ihr Lieben.
Natürlich hat man aufgeschrieben
Adresse, Namen, Telefon.
Den Rest, na ja, den kennt ihr schon.

Wie war es wirklich auf der Kur?

'Morgens Fango, abends Tango'

Mit guten Wünschen von der Frau
"Bleib sauber, lass nicht raus die Sau"
geht's zum Bahnhof, geht's zur Kur.
Dort angekommen, denk ich nur
angesichts der Atmosphäre
"Wenn ich doch zu Hause wäre".

Denn schon am Eingang kann man lesen:
Vierzellenbad, Iontophoresen,
Interferenz und Ultrawelle,
Stangerbad aus eigner Quelle.
Gepriesen wird die Lymphdrainage,
Unterwasser-, Jobstmassage,
Bio-Feedback, Jacobson,
autogenes Training von
dem berühmten Doktor Schulz,
Terraintraining für den Puls,
Siretherm und Mikrowelle,
Wassertreten auf der Stelle,
Psychotherapie in Gruppen,
Infrarotlicht (gegen Schuppen?).

Und die Liste setzt sich fort.
"Nichts wie weg von diesem Ort",
denkt sich der inn're Schweinehund.
Doch andrerseits, wirst du gesund,
wenn du tapfer hier vier Wochen,
mutig und ununterbrochen,
alles mit dir machen lässt?
Das stellst du hinterher erst fest!

Also rein in das Vergnügen,
Größe messen und dann wiegen,
Blutentnahme, viermal gleich!
Beim Anblick werde ich ganz bleich!
"Das ist das Ende der Tortur,
jetzt", so die Schwester, "folgen nur
angenehme Prozeduren,
das, was man versteht als 'kuren'".

Diese Botschaft hör ich wohl,
ob ich daran auch glauben soll?

Das Abendbrot - phänomenal!
Wer will, der kriegt ein zweites Mal!
Die Stimmung steigt, sie wird gar heiter.
Hoffentlich geht das so weiter.
Doch eingefleischte Kurexperten
sagen mir: "Wetten, Sie werden
morgen in der Quarkstraß' sitzen".
Ich lauf rot an, ich komm ins Schwitzen.
Doch letztlich sieget der Verstand.
Es ist doch klar, liegt auf der Hand:
"Willst eng're Kleidung du anziehen,
musst sparsam sein mit Kalorien".

Am nächsten Tage, voll Elan,
Mist, schon fängt die Suche an!
Kneippsche Güsse in U3,
direkt am Kiosk rechts vorbei.
Dann nichts wie hin zur Teilmassage,
gleich nebenan in der Passage,
im Sauseschritt zum EKG,
denn das geschieht im Komplex C.
Danach wirst höflichst du gebeten,
zur Untersuchung anzutreten.
Der Arzt, er sitzt im dritten Stock,
nicht hier, sondern im andern Block!
Endlich, fast hätte ich's vergessen,
winkt nun auch das Mittagessen.

Ein Teller - schön garniert - mit Fisch,
leider für den Nebentisch!
Für mich Gemüse, nur gegart,
an Gewürzen schwer gespart.
Nach dem Essen dann A.T.,
vom langen Sitzen tun mir weh
südlich des Zwerchfells alle Glieder.
Ich in die Kur? Danke nie wieder!

Bald weicht die Hektik der Routine,
ich kenn die Orte, die Termine.
Gelassen geh ich zur Massage,
nichts kann mich bringen noch in Rage.
Wassertreten, ein Genuss,
fast süchtig bin ich auf den Guss,
den Kneippschen, der so herrlich prickelt,
dann, dick in Decken eingewickelt,
Fango, das schwarze Zeug am Rücken.
Ich schwärme, denke voll Entzücken
an mein Befinden in drei Wochen,
hab ich doch meiner Frau versprochen,
heimzukommen rank und schlank
und möglichst auch weniger krank!

Rasch vergeht jetzt Stund' um Stunde,
Fast hörbar purzeln meine Pfunde.
Und ehe ich mich recht versehe,
zur Heimfahrt ich am Bahnhof stehe.
Zurück denk ich mit froher Miene
an diese Menschenheilmaschine.

Doch halt, fast hätt' ich ihn vergessen,
den Tango nach dem Abendessen.
Denn unvollständig ist die Kur,
betrachtet man die Tage nur!
Das Angebot ist riesengroß.
Gleich nach dem Essen geht es los,
denn um halb elf ist Zapfenstreich.
Wohin gehen wir nur gleich,
zu Marlies, Uschi, zum Kamin?
Nein, lasst uns in die Botschaft zieh'n,
oder besser in den Keller,
der liegt ganz nah, das geht viel schneller.
Denn äußerst wenig Zeit bleibt nur
zur Schattensuche in der Kur.

Und daher, schon nach wen'gen Tagen
sieht man, dass manche Hörner tragen,
von jenen die gekommen sind,
zum Teil mit Kegel und mit Kind,
um mit dem Partner, der so 'einsam',
zu verbringen jetzt gemeinsam
ein, zwei Tage oder mehr.
Der Abschied fällt nicht allen schwer!

An jene, die sich amüsieren
und dabei nicht den Halt verlieren,
obwohl in großer Übermacht,
wird leider selten nur gedacht.
Sie prägen doch das wahre Bild:
Tango am Abend - halb so wild.


Der Traum

Schweißgebadet in der Nacht
bin ich neulich aufgewacht.
Stand doch auf der Speisekarte
"Filets vom Rind, besonders zarte,
mit Kroketten und Gemüse;
zum Dessert besonders süße
Erdbeerschnitten leicht flambiert".
Ein Hochgenuss war garantiert!
Als Entrée zuerst zwölf Schnecken,
dies soll den Appetit mir wecken.
Dazu ein Wein aus dem Burgund
in Maßen sicher sehr gesund.
Doch dann, oh Graus, mich laust der Affe,
der Ober bringt eine Karaffe,
randvoll mit Tomatensaft.
Danach hat er herangeschafft,
ich glaube fast, mich sticht die Motte,
fein garniert eine Karotte!

Zur Ehrenrettung

Das Gros der Leute - Gott sei Dank*,
war - wie man sah - eindeutig krank.
Und hatte auch den festen Willen,
wegzukommen von den Pillen.
Sie plagten sich von früh bis spät
damit der Bauch, der Schmerz weggeht.

*Doch warum nur das 'Gott sei Dank'?
Ja, wären wirklich wen'ger krank,
so könnt man reden nicht vom Kuren,
sondern nur vom rum zu ... gammeln.

© Wolfgang Raith